Grundsätzlich gibt es bei Bauverträgen, bei denen die Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 vereinbart wurde, zwei Möglichkeiten eines Vorbehalts durch den Auftragnehmer. Erstens kann der Auftragnehmer, also der Bauunternehmer, die Schlussrechnung unter Vorbehalt ausstellen. Dies wird er vor allem dann tun, wenn für ihn bereits absehbar ist, dass ihm noch nachträgliche Forderungen welche aktuell noch nicht abgerechnet wurden, zustehen. Zweitens trifft den Auftragnehmer die Obliegenheit, gegen eine zu geringe Schlusszahlung durch den Auftraggeber einen Vorbehalt zu erheben. Dies muss binnen drei Monaten ab der Bezahlung des zu geringen Schlusszahlungsbetrages geschehen.
Kommt der Auftragnehmer seiner Vorbehaltsobliegenheit nicht nach, so kann er nach Legung der Schlussrechnung keine weiteren Forderungen mehr geltend machen. Andererseits kann bei vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung dann auch ein sich zwischen Schlussrechnung und tatsächlich geleisteter Zahlung ergebender Differenzbetrag nicht mehr gefordert werden. Das heißt vereinfacht gesagt, erhebt der Auftragnehmer keinen (fristgerechten) Vorbehalt, verliert er alle über die geleistete Zahlung hinausgehenden Ansprüche!
Anders verhält es sich nach der ständigen Rechtsprechung des OGH bei gänzlicher Nichtzahlung durch den Auftraggeber. Der Zweck der Vorbehaltsobliegenheit liegt nämlich darin, dem Auftraggeber möglichst schnell Klarheit zu verschaffen, wie hoch die von ihm geschuldete Summe ausfällt. Darunter fällt zwar die vorbehaltlose Annahme einer unvollständigen Zahlung, nicht aber das gänzliche Ausbleiben jeglicher Leistung durch den Auftraggeber. Zudem erfordert, laut rechtlicher Beurteilung durch den OGH, die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung irgendeine Art eines Zahlungsaktes, der vom Auftraggeber angenommen werden kann.
Nur im Fall, dass der Auftraggeber sich in Bezug auf seine Nichtzahlung auf ein bestehendes Guthaben oder wie auch immer geartete Gegenforderungen seinerseits gegen den Auftragnehmer beruft, wird von der Rechtsprechung (hier dem Handelsgericht Wien) im Zusammenhang mit einer gänzlichen Nichtzahlung die Vorbehaltsobliegenheit des Auftragnehmers bejaht. In diesem Fall würde das Nichterheben eines Vorbehaltes wiederum zum Verlust der Ansprüche des Auftragnehmers führen.
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