Skifahren und Snowboarden gehören nach wie vor zu den beliebtesten Wintersportarten in Österreich und sind dementsprechend viele Menschen täglich auf Österreichs Pisten unterwegs. Wie auch im Straßenverkehr sind Unfälle hier nicht zu vermeiden und kommt es jährlich zu über 50.000 Pistenunfällen, wobei der Großteil auf Kollisionsunfälle zurückzuführen ist.
Oftmals ist die Aufklärung dieser Unfälle schwierig, da objektive Spuren und Zeugen meistens fehlen. Das Gericht zieht für seine Beurteilung des Verschuldens sowie der objektiven Vermeidbarkeit vor allem die international geltenden FIS-Regeln (sowie ergänzende Snowboardregeln) heran.
In den meisten Fällen wird ein skitechnischer Sachverständiger beigezogen, welcher gemeinsam mit den Parteien und dem Gericht einen Ortsaugenschein vornimmt. Die FIS-Regeln gelten auch in Funparks sowie außerhalb der markierten Pisten. Zu beachten ist allerdings, dass diese Regeln nicht gesetzlich normiert sind, sondern von anerkannten Institutionen ausgearbeitet wurden und international anerkannt sind. Im Folgenden ein kurzer Überblick der 10 FIS-Regeln:
1. Rücksichtnahme auf die anderen Skifahrer und Snowboarder
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt.‘‘
Jeder Pistenbenützer ist ebenso für die von ihm verwendete Ausrüstung und Material verantwortlich. Die Einstellung der Skibindung sollte daher von einem Fachunternehmen erfolgen und sollte der ausgestellte Bindungseinstellschein zu Beweiszwecken jedenfalls aufbehalten werden. Pisten dürfen demnach ausschließlich mit Sportgeräten befahren werden, mit denen die Einhaltung der FIS-Regeln technisch möglich ist. Das Rodeln ist auf Pisten verboten und sind die dafür vorgesehenen markierten Rodelstrecken zu benutzen.
2. Beherrschung der Geschwindigkeit und der Fahrweise
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.‘‘
Fahren auf Sicht bedeutet, dass der Pistenbenützer nur eine solche Fahrgeschwindigkeit wählen darf, die es ihm ermöglicht, jedenfalls innerhalb der Sichtweite anzuhalten bzw. etwaigen drohenden Hindernissen und/oder anderen Pistenbenützern auszuweichen. Ausschlaggebend ist dabei das Verhältnis von Fahrgeschwindigkeit zu Sichtweite. Sporttechnisches Können, Aufmerksamkeit, Geschwindigkeit und (Sicht)Verhältnisse stellen dabei die grundlegenden Elemente eines beweglichen Systems dar. Jeder Pistenbenützer muss demnach seine Fahrgeschwindigkeit seinem Können und der Sicht anpassen.
3. Wahl der Fahrspur
,,Der von hinten kommende Skifahrer und Snowboarder muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer und Snowboarder nicht gefährdet.‘‘
Sowie im Straßenverkehr gibt es auch auf den Pisten gewisse Vorrangregeln, wobei die FIS Regel Nummer 3 die zentrale Vorrangregel darstellt. Vorrang hat immer der vorausfahrende Schifahrer oder Snowboarder. Für das Gericht sowie den skitechnischen Sachverständigen stellt sich oftmals die Frage, welcher Pistenbenützer im maßgeblichen Zeitraum von 2-3 Sekunden auf den letzten 20-30 Metern der vordere und somit langsamere und bevorrangte war. Dabei werden zur Beurteilung auch die Begebenheit der Piste (Neigung und Schneeverhältnisse) sowie die Fahrgeschwindigkeit und die Lage der beiden Annäherungslinien zur Kollisionsstelle herangezogen.
4. Überholen
,,Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder von links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer oder Snowboarder für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt.‘‘
Der Überholende hat dafür zu Sorge zu tragen, dass der gesamte Überholvorgang den Überholten nicht in eine Gefahrensituation bringt. Dies gilt auch für das Vorbeifahren bei auf der Piste stehenden Schifahrern und Snowboarde. Von der Rechtsprechung wird dabei ein Abstand von 3 Meter als ausreichend angesehen.
5. Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Abfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann.‘‘
Es ist daher unbedingt erforderlich, dass ein Schifahrer oder Snowboarder, der anfährt, sich harmonisch und ohne Gefahr für sich und andere in den allgemeinen Verkehrsfluss auf der Abfahrt einfügt. Somit ist jeder Schifahrer oder Snowboarder der in eine Piste einfährt oder sich wieder aus dem Stand in Bewegung begibt benachrangt.
6. Anhalten
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder muss es vermeiden, sich ohne Not an engen oder unübersichtlichen Stellen einer Abfahrt aufzuhalten. Ein gestürzter Skifahrer oder Snowboarder muss eine solche Stelle so schnell wie möglich freimachen.‘‘
Häufige Problematik zu diesem Thema ist das Anhalten kurz nach unübersichtlichen Stellen und Kuppen bzw. das gruppenweise Sitzen von Snowboardern an Pistenrändern. Die FIS-Regeln sowie die dazugehörigen Erläuterungen enthalten keine Ausführungen über den jedenfalls einzuhaltenden Abstand zu Kanten und Kuppen. In der Regel trifft die überwiegende Verantwortung allerdings einen von oben kommenden Pistenbenützer, welcher jedenfalls gegen die FIS-Regeln 1-3 verstößt und somit mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs ist und nicht auf Sicht fährt.
7. Aufstieg und Abstieg
,,Ein Skifahrer oder Snowboarder, der aufsteigt oder zu Fuß absteigt, muss den Rand der Abfahrt benutzen.‘‘
Die hier angesprochene Problematik trifft vor allem Skitourengeher. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Schifahren oder Snowboarder und einem aufsteigenden Tourengeher ist das Mitverschulden des Aufsteigenden oftmals als sehr gering einzustufen (solange er sich regelkonform verhält und den Rand der Piste benützt). Zu beachten gilt allerdings, dass Liftbetreiber den Aufstieg reglementieren oder auch ganz verbieten können. Es gilt sich somit zunächst über die örtliche Skiordnung zu informieren.
8. Beachten der Zeichen
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder muss die Markierung und die Signalisation beachten.‘‘
Hierbei geht es um die allseits bekannten ,,Slow-Tafeln‘‘ sowie die Hinweisschilder über das Ende des gesicherten Skigebietes (Lawinenhand) – Stichwort Freerider. Pisten werden nach ihrem Schwierigkeitsgrad schwarz, rot, blau oder grün markiert und mit Hinweis-, Gefahr- und Sperrtafeln gekennzeichnet. Grundsätzlich steht es jedem frei die Pisten frei zu wählen, allerdings muss die Wahl gemäß FIS-Regel Nr. 2 den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Freerider handeln im Bereich außerhalb des gesicherten Skigebietes auf eigene Gefahr aber grundsätzlich nicht rechtswidrig. Zu beachten sind allerdings strafrechtliche Komponenten bei Auslösung einer Lawine mit Todesfolge anderer.
9. Hilfeleistung
,,Bei Unfällen ist jeder Skifahrer und Snowboarder zur Hilfeleistung verpflichtet.‘‘
Diese Pflicht trifft dabei nicht ausschließlich den Unfallverursacher, sondern jeden Pistenbenützer, der an einer Unfallstelle vorbeikommt. Das bedeutet die Leistung von Erster Hilfe, die Alarmierung des Rettungsdienstes und das Absichern der Unfallstelle. Diese Verpflichtung ergibt sich ebenfalls aus den strafrechtlichen Normen der §§ 94 und 95 StGB.
10. Ausweispflicht
,,Jeder Skifahrer und Snowboarder, ob Zeuge oder Beteiligter, ob verantwortlich oder nicht, muss im Falle eines Unfalles seine Personalien angeben.‘‘
Bei der gerichtlichen Abklärung von Ski- und Snowboardunfällen ist vor allem der Zeugenbeweis von großer Bedeutung. Die Ausweispflicht dient somit der Erleichterung der datenmäßigen Erfassung von sämtlichen Beteiligten.